Die unterste Milliarde (Bottom Billion)

Hier kommt unser Beitrag zum Blog Action Day 2008, der sich mit dem Thema "Armut" beschäftigt. (Auch letztes Jahr haben wir bereits teilgenommen, zum Thema Energie.)

Ich habe dazu das sehr interessante Buch "The Bottom Billion" von Paul Collier gelesen (die deutsche Ãœbersetzung heisst: "Die unterste Milliarde").

Das Buch beschreibt die aktuelle Situation der Entwicklung auf unserer Erde: eine Milliarde in den entwickelten Ländern stehen nicht mehr fünf Milliarden in Entwicklungsländern entgegen, nein, inzwischen haben fünf Milliarden Menschen auf diesem Planeten die absolute Armut hinter sich gelassen und zurück bleibt eine Milliarde, die sogar ärmer geworden sind.

Wer diese Menschen sind, warum ihre Länder den Entwicklungszug verpasst haben und was man tun kann zählt Paul Collier in seinem Buch eindrucksvoll auf. Dabei ist das Buch äußerst knapp und kurz gehalten, alle Probleme und Lösungen werden auf knapp 250 Seiten dargestellt.

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Die Entwicklungsfallen

Der Autor beginnt mit den vier Entwicklungsfallen, in denen die Länder der untersten Milliarden stecken (manchmal in mehr als einer zur gleichen Zeit). Die Fallen zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Menschen arm machen und das Wirtschaftswachstum in ihren Ländern verhindern. Durch mangelndes Wirtschaftswachstum steigt aber die Wahrscheinlichkeit, in eine der Entwicklungsfallen zu treten.

  • Konflikt (Bürgerkrieg, Coups, Revolution)
  • Ressourcenreichtum
  • Inlandslage (keine Häfen) umgeben von schlechten Nachbarn
  • Schlechte Regierung(-stätigkeit)

Konflikt führt zu weniger Entwicklung, das schürt wiederum Konflikt im Land. Aus dieser Falle kann ein Land nur schwer entkommen.

Ressourcenreichtum ermöglicht es den Mächtigen, sich der Kontrolle durch das Volk zu entziehen. Da das Geld, das die Regierung ausgibt, aus dem Verkauf der Ressourcen stammt, und nicht aus Steuern, haben Bürger weniger Mitspracherecht. Geld wird verschwendet und/oder fließt ins Militär (erhöhte Militärausgaben führen wahrscheinlicher zu Konflikt).

Länder ohne direkten Zugang zum Meer können am internationalen Handel nur teilnehmen, wenn sie Nachbarstaaten haben, durch deren Gebiet sie ohne Probleme/hohe Zölle Handel treiben können. "Schlechte" Nachbarstaaten eignen sich auch nicht als Handelspartner.

Schlechte Regierung(-stätigkeit) sorgt dafür, dass Staatsgeld verschwendet wird, Korruption blüht und die Probleme eines Landes nicht angefasst werden.

Die Lösungen

  • Entwicklungshilfe
  • Militärische Intervention
  • Handel
  • Demokratie

Entwicklungshilfe

Entwicklungshilfe hilft den ärmsten Ländern insofern, als dass sie die schlimmsten Folgen der Armut bekämpfen hilft (Hunger, Seuchen). Sie kann aber auch zu Coups oder Revolten führen, weil es sich durch die Hilfsgelder "lohnt", einen Staat zu übernehmen.

Entwicklungshilfe sollte für Länder mit Inlandslage die Infrastruktur der Nachbarländer verbessern, dies geschieht aber höchst selten, weil die Entwicklungshilfe länderweise organisiert ist.

Entwicklungshilfe die ins Land strömt, sorgt dafür, dass im Land selbst erwirtschaftetes Geld weniger wert wird. Exporte werden dadurch teurer, man hört auf Waren zu produzieren, um sie zu exportieren. Die Abhängigkeit von Entwicklungshilfe wird schlimmer!

Militärische Intervention

Das schnelle Eingreifen von Truppen von außerhalb, kann einen Konflikt schnell dämpfen. Die Probleme eines Landes fangen allerdings jetzt erst an! Die Wirtschaft ist zerstört und die Menschen haben Angst zu investieren. Der Autor schlägt deshalb vor, dass militärische Intervention mit dem Aufbau koordiniert mindestens 10 Jahre durchgehalten wird, bis sich eine zivile Gesellschaft ausgebildet hat. Wird ein Land zu früh wieder verlassen, flammen alte Konflikte wieder auf (sowieso ist die Gefahr einen Bürgerkrieg zu haben, in den Ländern am höchsten, die schon einmal einen Bürgerkrieg hatten).

Handel

Handel ist, laut dem Autor, die wichtigste Möglichkeit für alle Länder am Wohlstand teilzunehmen. Die Hürden für die abgehängte unterste Milliarde sind allerdings hoch: alle Welt lässt bereits in Asien produzieren, warum weitere Standorte in Afrika aufmachen? Das Stichwort dazu ist "Economies of agglomeration", der Autor beschreibt das so:

  • Was sind die Kosten, die erste Fabrik irgendwo aufzumachen? Gigantisch
  • Wie hoch sind die Kosten für die zweite Fabrik? Deutlich geringer
  • Wie hoch sind die Kosten für die 1000. Fabrik? Fast genauso hoch, wie zuhause!

Da bereits tausende Fabriken in China eröffnet wurden, ist es für Produktionsbetriebe sehr viel leichter, dort anzufangen, als im Neuland.

Der Autor schlägt vor, dass man bestehende Handelsschranken erstmal für Länder der untersten Milliarde öffnet, bevor man sie für China aufmacht. Damit hätten die Länder der untersten Milliarde eine Chance, sich einen Vorsprung zu verschaffen.

Ein großes Problem dieser Länder ist auch, dass sie Mangel an Kapital haben. Auswärtiges Kapital fließt nur schlecht, weil die Länder von Investoren für unsicher gehalten werden (das verteuert Kapital) und nicht nur das, inländische Investoren investieren Ihr Geld auch lieber im Ausland! Die Regierung eines Landes muss alles tun, um diesen Mittelabfluss zu verhindern. Nicht durch Verbote, sondern durch vernünftige Regierungsführung, die gemachte Versprechen auch einhält. (siehe unten Demokratie).

Demokratie

Sehr interessant fand ich die Erklärung, dass Demokratie nicht nur aus Wahlen besteht, sondern auch Regeln für den Umgang mit Steuergeldern und die Überprüfung der Ausgaben enthält. Dazu gehört auch eine freie Presse, die über Regelbrüche/Verschwendungen berichten kann (und darf).
Wahlen sind nur der erste Schritt!

Als Beispiel für gelungenen Transfer von demokratischem Regelwerk, nennt der Autor die Europäische Union. Man zwingt andere Länder nicht, gewisse Regeln und Normen zu befolgen, doch wenn sie beitreten wollen, müssen sie gewisse Standards erfüllen. Das hat hier auf dem ganzen Kontinent zu ähnlichen Rechtssystemen geführt!

Wichtigste Lektion/Fazit

Man soll die Menschen in den Ländern unterstützen, die bereits daran arbeiten, ihre Länder zu verbessern.
Man darf von den Lösungsmöglichkeiten (Hilfe, Militär, Gesetze/Regeln/Normen und Handel) nicht aus politischen Gründen welche bevorzugen und andere verschreien.

"Wachstum hilft nicht gegen alles, aber Stagnation macht alles kaputt"

Und zu guter letzt: Wir sind nicht die Zuschauer! Wir können auch etwas tun!

PS: Ich habe bereits begonnen und zwei Geschäftsfrauen-Gruppen aus Pakistan und Togo über Kiva Geld geliehen, damit sie ihre Geschäfte erweitern können. Kapitalmangel ade.

Update 29.10.08: Ein Feuilleton des Autors zum Thema "Ende des Rohstoffbooms" und dessen Auswirkungen auf die Ärmsten habe ich bei der Frankfurter Rundschau gefunden.

2 Gedanken zu “Die unterste Milliarde (Bottom Billion)

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